HANNAH SCHMIDER

Aufgewachsen zwischen Waldrand und Ammersee hat Hannah Schmider nicht nur die Faszination von natürlichen Materialien wie Holz und Ton entdeckt, sondern auch ein Interesse an den vielfachen Formensprachen von Mensch und Tier entwickelt. Als Bildhauerin, die ihr Handwerk zunächst in Garmisch-Partenkirchen erlernt und an der Hochschule für Bildende Kunst Dresden weiterentwickelt hat, folgt sie dabei keinem reinen Naturalismus, sondern zielt durch subtile Reduktion auf den inneren Kern ihrer Figuren. Im Zentrum ihrer Arbeit steht stets die immaterielle Gefühlswelt, die sich in ihrer Form offenbart.

Deutlich stellen ihre Skulpturen die Spuren der bildhauerischen Bearbeitung zur Schau. Mit ihrer feinen, aber auch rohen Anmutung offenbaren sie dem Betrachter ihre Herkunft aus dem jeweiligen Arbeitsmaterial. Besonders gerne arbeitet sie mit Lindenholz. „Holz duftet und atmet, es ist lebendig. Diese innewohnende Stärke und Kraft überträgt sich auf meine Figuren“, sagt Schmider. Aus dem Zusammenspiel von Holzstruktur und Schnittführung entwickelt Schmider Oberflächen, die dem Betrachter verschiedenste Stofflichkeiten suggerieren: Der weiche Flaum wärmender Vogelfedern, das zottelige Fell eines Eisbären oder der elegante Wintermantel einer Frau. Mittels einer lasierenden Kolorierung, welche die Struktur des Holzes durchscheinen lässt, verstärkt Schmider diesen Effekt.

„Auch nach dem Farbauftrag arbeite ich noch weiter an der Form. Beim Holz ist es natürlich immer ein Wegnehmen. Manchmal koloriere ich nach, manchmal lasse ich die Bearbeitung unkoloriert stehen. Ein Gefühl der Zufriedenheit zeigt mir, wann ich fertig bin, wann die Skulptur im Gleichgewicht ist.“

Die Skulpturen erhalten so nicht nur eine unmittelbare Lebendigkeit und ruhige Kraft, sie wirken auch auf mehreren Ebenen wie in einer konkreten Situation überrascht – eine Momentaufnahme der Bewegung im Raum, des Übergangs von bildhauerischer Bearbeitung zur Verkörperung lebendiger Natur.

Neben Einzelskulpturen fertigt Schmider auch Zyklen. Mit den „Kompagnons“ widmet sie sich der Beziehung zwischen Mensch und Tier, die seitens des Menschen geprägt ist von Sehnsüchten, Wünschen und gefühlten Wesensverwandtschaften. Tiere rühren uns, geben als Gefährten Kraft und Vertrauen, erfordern Fürsorge und schenken einen bereichernden, ungewöhnlichen Blick auf die Welt. Schmiders Paare aus Menschen und totemartigen Tieren hinterfragen diese Wechselbeziehungen und erlauben dem Betrachter, sich als teilnehmender Beobachter in dieses Verhältnis einzufühlen.

Auch in ihrem Zyklus „Gedankengänge“ gibt Schmider dem Unsichtbaren, Nicht-Physischen eine skulpturale Form. Als durchlöcherte Körper wachsen Gedanken aus den Figuren, greifen in den umgebenden Raum aus, öffnen sich zur Welt und hin zum Betrachter. Besonders die fein gearbeiteten Gesichter geben Persönlichkeit und Haltung der Figuren Ausdruck.

Schmiders Skulpturen bleiben nie Stereotypen. Es sind bis ins kleinste Format, höchst individuelle Charaktere, die mutig ihre innersten Befindlichkeiten, ihre Wünsche und Ängste, Wut und Trauer, Lebensfreunde und Liebe dem Betrachter wie einem guten Freund anvertrauen. Auf diese Weise wirken sie zugleich zerbrechlich und stark.

STATIONEN

  • 1985 geboren in Starnberg
  • 2007-2010 Ausbildung zur Holzbildhauerin an der Schule für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen bei Michael von Brentano und Herbert Nauderer
  • 2010 Gesellenbrief Holzbildhauerei
  • 2011-2015 Studium an der Hochschule für bildende Künste in Dresden bei Prof. Ulrich Eißner
  • 2015 Diplom Theaterplastikerin
  • Mitglied im Bund Offenbacher Künstler BOK
  •  Lebt und arbeitet in Rumpenheim/Offenbach am Main

AUSZEICHNUNGEN/STIPENDIEN

 

2022

  • „NEUGIERIG AUF MORGEN“ Europäischer Gestaltungspreis 2022 für Holzbildhauer*innen
  • Preisträgerin des Ruth-Leibnitz-Preises mit der Skulptur „Gefährten“ (Eisbär)

2021

  •  Brückenstipendium- Hessische KulturstiftungStipendium für Solo-Selbstständige in Kunst und Kultur der Stadt Offenbach
  • Katalogförderung durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst
  •  Aufnahme der Eisbär-Figur „Gefährten“ (siehe links) in die Shortlist des „Europäischen Gestaltungspreis für Holzbildhauer 2022″

    2020
  • Projektstipendium Kulturstiftung Hessen – „Hessen innovativ neu eröffnen“
  •  Arbeitsstipendium Kulturstiftung Hessen – „Übergang meistern“
  •  Galerie Kunstreich Kempten – artig Kunstpreis (shortlist)

    2013
  • Europäischer Gestaltungspreis für Holzbildhauer 2013, 2.Preis Kategorie Nachwuchsbildhauer